1990 ROMULUS DER GROSSE

Zum Stück:

Romulus der Große ist Dürrenmatt’s erste Komödie. Er schrieb sie im Winter 1948/49. Den Stoff fand er angedeutet in der Novelle Strindbergs »Attila«, die endet: „Orestes und Edeko reisten am selben Morgen... Später erneuerten sie die Bekanntschaft, aber unter anderen und größeren Verhältnissen. Denn Edekos Sohn war Odoaker, der den Sohn des Orestes stürzte, und der war kein anderer als der letzte Kaiser Romulus Augustus. Er hieß sonderbarer Weise Romulus, wie Roms erster König, und Augustus, wie der erste Kaiser. Und er beschloß sein Leben alsVerabschiedeter, mit einer Pension von sechs tausend Goldmünzen, in einer Villa in Campanien, die vorher Lucullus besessen hatte.“ Die absurde Diskussion, die in Deutschland aufkam, ob die Attentäter vom 20. Juli 1944 Landesverräter gewesen seien oder nicht, brachte F.D. auf die Idee, den letzten Kaiser Westroms, »Romulus Augustulus«, ein fünfzehnjähriges Unschuldslamm, in einen mehr als fünfzigjährigen Landesverräter auf dem Thron zu verwandeln, der sein Reich den Germanen ausliefert, weil er nicht mehr an das Recht des römischen Imperiums glaubt, sich zu verteidigen. Wie Hamlet den Wahnsinnigen spielt, spielt Romulus den »schlechten« Kaiser. Dominiert Romulus in der ersten Fassung absolut, setzt ihm F. D. in der 1957 geschriebenen zweiten Fassung im vierten Akt seine dialektische Gegenfigur entgegen: Odoaker ist nun — im Gegensatz zu Romulus, der an das Recht glaubt, ein Weltreich zu vernichten —jener, der nicht an das Recht glaubt, ein Weltreich zu errichten. Romulus verdammt die Vergangenheit, Odoaker fürchtet die Zukunft, aber beide müssen als Politiker handeln: Romulus liquidiert das weströmische, Odoaker errichtet das germanische Imperium und ruft einen geschichtslosen Frieden aus, der nur wenige Jahre dauern kann... In dieser zweiten Fassung wird F.D.s dramaturgische Neigung deutlich: die Personen seiner Komödie vor einen tragischen Hintergrund zu setzen, sie gleichsam tragisch zu grundieren.
Romulus‘ Heiterkeit liegt in seiner Überzeugung, Odoaker werde ihn töten; er opfert Rom, weil er sich selbst opfern will, aber er opfert unfreiwillig jene, die fliehen und die er hätte retten wollen; und indem ihn Odoaker pensioniert, wird er, der vorher komisch und tragisch war, tragisch komisch.

 

Besetzung:
ROMULUS AUGUSTULUS, Kaiser von Westrom : Paul Demetz, JULIA, seine Frau: Anneliese Fried, REA, seine Tochter: Maybritt Complojer, ZENO DER ISAURIER, Kaiser von Ostrom: Peter Drassl, ÄMILIAN, Römischer Patrizier: Anton Gallinetzer, MARES, Kriegsminister: Kuno Seyr, TULLIUS ROTUNDUS, Innenminister: LuisSanta, SPURIUS TITUS MAMMA, Reiterpräfekt: Hubert March, ACHILLES, Kammerdiene: Sepp Dissertori, PYRAMUS, Kammerdiener: Herbert Michel, APOLLYOAN, Kunsthändler: Emanuel Demetz, CÄSAR RUPF, Industrieller: Peter Kaufmann, EINKOCH/PHYLAX, Schauspieler: Paul Pedri, ODOAKER, Fürst der Germanen: Luis Benedikter, SULPHURIDES, Kämmerer: Eduard Ranigler, PHOSPHORIDOS, Kämmerer: Günter Eckert, EILBOTE: Fritz Jaenecke

 

REGIE: ROLAND SELVA,
Bühne und Kostüme: Gabriele Jaenecke,
Lichtgestaltung: Vittorio Garavelli,
Musik: Judith Dörfler, Evi Langebner.

Mitarbeiter:
Dramaturgie: Stefan Poprawka, Technische Leitung: Gusti Zambaldi, Plakatentwurf: Hans Peter Demetz, Regieassistenz: Carlotte Ranigler, Inspizienz: Richard Ranigler, Kostümassistenz: Suzana Draganic, Bühnenbau: Erich Gallmetzer, Heinz Mahlknecht, Lichtführung: Franz Abraham, Beleuchter: Hermann Cristofolini, Ton: Karl Zambaldi, Maske: Clara Sinn, Frisuren: Irene Dindo, Schneiderei: Gerda Fraccarolli, Jetty v. Verocai, Marianne Roncador, Elsa Vill, Garderobe: Monika Oberhauser, Plakatierung: Peter Kasal, Gerd Holzknecht, Platzanweisung: S.K.J. Neumarkt, Küche: Franzi Mayr, Mesnerhaus: Ella Telk, Kartenvorverkauf: Beatrix Bancher, Erika Werth, Abendkasse: Christian Bertignoll, Norbert Bertignoll, Produktionsassistenz: Waltraud Sanin, Organisation: Paul Waldner, Markus Griessmair, Verwaltung: Kurt Werth, Gesamtleitung: Zeno Bampi.

Termine:
23. Juli (Premiere) bis 10. August 1990

Spielort:
March Hof, Strasse der AltenGründungen, Neumarkt

 

  Autor: Friedrich DÜRRENMATT

Ich wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen (Kanton Bern) geboren. Mein Vater war Pfarrer, mein Großvater väterlicherseits Politiker und Dichter im großen Dorfe Herzogenbuchsee…
Das Dorf, in welchem ich geboren wurde und aufwuchs, ist nicht schön, ein Konglomerat von städtischen und dörflichen Gebäuden, doch die kleinen Dörfer, die es umgeben und die zur Gemeinde meines Vaters gehörten, waren echtes Emmental und wie von Jeremias Gotthelf beschworen. In Konolfingen erlebte ich auch meine ersten künstlerischen Eindrücke. Meine Schwester und ich wurden vom Dorfmaler gemalt. Stundenlang malte und zeichnete ich von nun an im Atelier des Meisters. Die Motive: Sintfluten und Schweizer Schlachten.
Doch habe ich in meine heutige Tätigkeit aus der Welt meiner Kindheit Wichtiges herübergerettet: nicht nur die ersten Eindrücke, nicht nur das Modell zu meiner heutigen Welt, auch die “Methode“ meiner Kunst selbst. Wie mir im Atelier des Dorfkünstlers die Malerei als ein Hand werk gegenübertrat, ein Hantieren mit Pinseln, Kohle und. Feder usw., so ist mir heute die Schriftstellerei ein Beschäftigen und Experimentieren mit verschiedenen Materien geworden, ich schlage mich mit Theater, Rundfunk, Romanen und Fernsehen herum, und vom Großvater her weiß ich, daß Schreiben eine Form des Kämpfens sein kann...
Friedrich Dürrenmatt

Dürrenmatt starb am 14. Dezember 1990 in Neuchatel

Grafik
S.Dissertori, P.Demetz, H.Michel
A.Gallmetzer, M.Complojer
P.Drassl, P.Demetz, A.Fried, K.Seyr
A.Fried, P.Demetz
L.Benedikter, P.Demetz

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